Im letzten Blog haben wir die Moralisten „aufs Korn“ genommen.
Heute schlagen wir mit der sechsten und letzten Strophe von Stille Nacht wieder sanftere Töne an. Stille Nacht – Eine Hirtenidylle?
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Hirten erst kundgemacht
Durch der Engel Halleluja,
Tönt es laut bei ferne und nah:
Jesus der Retter ist da!
Jesus der Retter ist da!
Ein idyllisches Hirtengedicht?! Nein! Stell dir vor: Joseph Mohr, zu Weihnachtzeit 1816, allein im kalten Pfarrhof in Mariapfarr! Um diese Zeit ist es im Lungau normalerweise besonders kalt. Eine Zeit für romantische Hirtenidylle? Unmöglich! Was dann? Seine Lage war wohl ähnlich wie bei den Hirten nahe Betlehem vor 2000 Jahren: ganz auf sich gestellt, still rundherum! Einsam? Ich glaub es nicht! Denn im Leben fest verankert ist niemand einsam, so wie die Hirten – und die Engel, sie verkünden mit lautem „Halleluja“: „Jesus der Retter ist da!“ – Die Engel, sind das vielleicht seine innerste Stimme, die jubelt, ohne klar zu verstehen, von wo dieses Glück herkommt, aus purer Freude am Leben!
Wenn es dir einmal schlecht geht, deine Situation aussichtslos erscheint, wenn du verzweifelt bist, wenn du vor den Trümmern deiner Vergangenheit stehst, dann siehst du vielleicht nur Nebel – alles grau in grau. Wenn es aber still wird und du zur Ruhe kommst, dann wirst auch du Engel singen hören, die Nebel werden sich lichten und deine Ohren werden offen für leise Töne werden! Alles, was du dein Leben lang verdrängt hast, dich heute quält, wird morgen vergessen sein, dann wirst auch du überschwänglich „Halleluja“ singen. Joseph Mohr hat die Hirten bei ihren Schafherden gesehen – weit weg vom mächtigen Tempel in Jerusalem, fern von herrschenden Strukturen – aber mitten im Leben!
Einfachheit und Bescheidenheit, mitten im Leben, das sind Machtfaktoren! Sie reißen Mauern nieder und öffnen Türen zur Begegnung von ICH und DU! DA geschieht Leben! DAS ist es, was die Welt verändert! Hirten, am Rand der etablierten Gesellschaft, jubeln auf dem Weg zu einem neugeborenen Kind im Stall – und treffen auf eine Familie, die keine Herberge gefunden hatte, Obdachlose, Flüchtlinge, Asylanten – eine göttliche Begegnung, die einfache Hirten erleben! Wäre eine solche Begegnung auch im Salzburger Dom möglich?
Die katholische Kirche ist Joseph Mohrs geistige und spirituelle Heimat, als Priester ihr Repräsentant. Er nimmt aber in seinem Weihnachtsgedicht Stille Nacht keinerlei Bezug zu ihr. Wie denn das? Spielt sie für ihn keine Rolle? Müsste er nicht immer wieder für sie eintreten, sie verteidigen oder auch gegen jedwede Missstände revoltieren? Joseph Mohr benützt nicht die Kirche für sein Weihnachtsgedicht, ist nicht abhängig davon, in der Kirche steckt aber der KERN der christlichen Botschaft, die das Lied ausmacht, manchmal tief vergraben unter Strukturen der Macht. Er ist aber immer „keimfähig“ geblieben und drängt immer wieder unbändig ans Licht und bringt Früchte wie Stille Nacht hervor.
Jede der 6 Strophen beginnt mit Stille Nacht! Heilige Nacht! Steckt da nicht alles drin, was das Lied ausmacht? Die Nacht hat nichts Bedrohliches. Sie strahlt viel mehr intime Geborgenheit aus. Sie ist Mutterschoß. Sie schützt das Leben vor dem grellen Tageslicht. Das Tageslicht ist nur für das geschäftige Treiben da. Im Schoß geschieht das Leben, in der Stille. Das ist heilig.
Im nächsten Blog betrachten wir das Leben Joseph Mohrs. Vielleicht entdecken wir dort den Kern der christlichen Botschaft – in Stille Nacht?
Es freut mich immer sehr ihren blog zu sehen …zu hoeren. Ein grosses klompliment an sie und yarina….
Alles liebe
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Lieber Herr Gurtner
ein wunderbares Gefühl , wenn man in weiter Ferne , besonders jetzt in der Vorweihnachtszeit so viel Interessantes über unser in die ganze Welt hinausgetragenes Lied „Stille Nacht“ und seinen Ursprung erfahren darf.
Als „ halberte Arnsdorferin“ darf ich Ihnen für dieses wunderbare Geschenk danken, welches uns gerade im heurigen ,von der Pandemie so schwer betroffenem Jahr , ganz besonders anspricht und unsere Herzen erwärmt.
Vergelt‘s Gott
Maresi Reisky
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