Warum sind allgemein nur 3 Strophen bekannt?
Mein erster Blog sollte eine allgemeine Orientierung für die kommenden Blogs zeichnen. Heute zunächst noch weitere grundsätzliche Gedanken:
STILLE NACHT, dieses Weihnachtslied berührt dich, oder? Wie viele Strophen kannst du auswendig? Ich höre dich sagen: drei. Und wie viele Strophen gibt es insgesamt? Da musst du nachdenken, gell?
Es sind sechs Strophen. Du kennst wahrscheinlich die erste, zweite und die sechste. Und was ist mit den übrigen Strophen, sind die nicht so wichtig?
Ich behaupte das Gegenteil! Denn in der 3. 4. und 5. Strophe steckt der Kern, der das Lied ausmacht!
Ich werde dir Gedanken dazu in den nächsten Blogs Strophe für Strophe darlegen.
Für heute folgendes: die bekannten drei Strophen sind die, die eher unser Gefühl ansprechen. Ein Gefühl, das aber, wie gesagt, in den übrigen, weniger bekannten Strophen, ihren Ursprung hat! Erstaunt? Neugierig? Gut! Schauen wir zunächst das Drum-Herum an:
Stille Nacht muss unter besonderen geschichtlichen und tief persönlichen Umständen entstanden sein: 1816 in Mariapfarr, als der junge Priester Joseph Mohr den Text verfasste, und später 1818 in Arnsdorf, bzw. in Oberndorf, in der Begegnung mit dem Lehrer Franz Xaver Gruber, der die Melodie dazu schuf. Mehr dazu später.
Warum kennen wir allgemein also nur drei Strophen und warum sind die übrigen fast in Vergessenheit geraten? Sie sind nicht verschwunden, sie haben sich nur hinter der Melodie unsichtbar gemacht, sich quasi in die Tiefe der menschlichen „Gefühlsküche“ zurückgezogen – steuern aber von dort aus kräftig unsere Welt! – oft versteckt und zugedeckt unter Legenden! Lassen wir die Legenden beiseite, damit wir den Blick in die Tiefe frei bekommen und in einem neuen Horizont besser verstehen, was das Lied ausmacht. Wie gesagt: ausführlicher in späteren Blogs.
Soweit ich das feststellen kann, haben die vielen Übersetzungen von Stille Nacht in andere Sprachen mit dem Originaltext auf Deutsch oft nur wenig zu tun. Es ist die Melodie, die viele Menschen auf der ganzen Welt bewegt. Und niemand fragt, wann, wo und wie sie entstanden ist! Eigenartig, jeder nimmt es einfach wie selbstverständlich an und empfindet es als sein eigenes. Die Musik ist also die universelle Sprache, in die Franz Xaver Gruber das Lied übersetzt und so der ganzen Welt eröffnet hat. Stille Nacht berührt eben ALLE Menschen! – was ist da in Gruber und Mohr vorgegangen?
Wann haben sich die drei „Gefühlsstrophen“ herausgespalten? 1832 wurde Stille Nacht in Leipzig gedruckt, als „ächthes Tiroler Volkslied“! – schon damals mit nur den genannten drei Strophen. Die Strasser-Sänger aus dem Zillertal hatten nämlich auf ihren Tourneen, Stille Nacht in ihr Repertoire aufgenommen und so im deutschsprachigen Raum populär gemacht – diese Strasser Sänger, in ihren Trachten, selbstbewusste angesehene Tiroler Sänger, waren auch Kaufleute. Und jene Strophen, die mehr die Gefühle ansprachen, ließen sich einfach besser verkaufen! Und das wirkt scheinbar so ähnlich bis heute weiter.
Im nächsten Blog werden wir die erste Strophe betrachten.